CSR-Berichtspflicht: Viel mehr als eine lästige Pflicht

Kommentar –
Altkanzler Gerhard Schröder würde die CSR-Berichtserstattungspflicht für Unternehmen, die 2017 kommen wird, wohl mit seinem berüchtigten Ausdruck belegen: Gedöns – also etwas, das viel Lärm und Aufwand macht, aber wenig bringt außer heißer Luft. Tatsächlich sehen auch viele Unternehmer, insbesondere in den mittelständischen, personengeführten Firmen, die neue Vorschrift kritisch, wonach börsenorientierte Unternehmen ab einer gewissen Größe neben einem Finanzbericht regelmäßig auch eine Beschreibung ihrer sozialen Aktivitäten vorlegen müssen. Und es ist nicht zu bestreiten: auf manchen CSR-Konferenzen (Corporate Social Responsibility), die vor allem von den großen Konzernen dominiert werden, kommt man sich vor wie bei einer NGO: jetzt mal schnell die Welt retten.

Auch Experten, die nicht als unternehmernah gelten wie der Jesuitenpater Jörg Alt – Verfasser einer Studie zu Steuergerechtigkeit und anderen Wegen der Armutsbekämpfung – sind skeptisch gegenüber der CSR-Mode, freilich aus anderen Gründen: Sie meinen, dass es Aufgabe der Unternehmen vor allem sei, Gesetze zu befolgen, Mitarbeiter gut zu behandeln und angemessen dort Steuern zu zahlen, wo Werte geschaffen werden, die dann einem demokratischen Vergabeprozess unterliegen. Wohlfahrt ist für ihn eine demokratische Angelegenheit und dürfe nicht dem Gutdünken von Unternehmen unterliegen.

Der Vorwurf, der hier mitschwingt ist der des Greenwashings: Image-Probleme an anderer Stelle – etwa Umweltschutz oder Steuermoral – hinter öffentlichkeitswirksamen gesellschaftlichen Projekten zu verstecken. Und es ist nicht zu bestreiten: viele Menschen schauen sich lieber Kinderbilder an als Steuertabellen. Um diesen Effekt darf es bei CSR nicht gehen. Worum aber dann?

Um es klar zu sagen: die Aufgabe von Unternehmen ist es nicht, gesellschaftliche Probleme zu lösen – es sei denn durch ihre Produkte. Unternehmen sind dafür da, einen Markt zu bedienen, und dabei müssen sie in all ihren Prozessen die geltenden Gesetze beachten. Das nennt man Compliance. Alles was nicht durch Gesetze vorgeschrieben ist, sind Aktivitäten, die Unternehmen grundsätzlich nicht tun müssen – diese On-Top-Aktivitäten und nur diese nennt man korrekterweise CSR.

Warum machen Unternehmen das? Sicher nicht aus Altruismus, denn per Definition können Unternehmen nicht altruistisch sein. Vielleicht einzelne Verantwortliche, aber seien wir ehrlich: auch beim gesellschaftlichen Engagement von Personen steckt meistens ein persönlicher Zweck dahinter, und wenn es die Befriedigung der Eitelkeit ist oder ein Hobby des Patriarchen wie die Kunstsammlung des Schraubenherstellers Würth. Das ist keine Kritik daran, gerade Eitelkeit gehört zu den tiefen menschlichen Antriebsfedern, ebenso wie das Habenwollen.

CSR kann also nicht zweckfrei gedacht werden. Unternehmen werben um gute Mitarbeiter, wenn sie übertariflich zahlen, um Kunden, wenn sie sich für klimaneutral erklären oder um die Gunst der lokalen Gemeindeverantwortlichen, wenn sie die Feuerwehr am Standort unterstützen. Bisweilen, so wie kürzlich im Fall der Bertelsmann-Stiftung und ihres Ablegers Phineo, wird kritisiert, dass Unternehmen mit ihrem gesellschaftlichen Engagement eigennützige Zwecke verfolgen, doch genau darum geht es, und es ist weder zynisch noch unredlich, dies zu betonen. Unternehmen verfolgen natürlich einen Zweck, nämlich erfolgreich ihre Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Sonst wären sie keine Unternehmen. Soziale Aktivitäten genau zu diesem Zweck – daran gibt es solange nichts zu kritisieren, als alle gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt werden, kein Greenwashing betrieben wird und Unternehmen nicht originär staatliche Funktionen übernehmen.

So einfach könnte es eigentlich sein mit Corporate Social Responsibility. Doch was machen Unternehmen draus? Sie fördern dies und jenes, Hauptsache was mit Kindern, schicken Teams zum Malern in Kindergärten und drucken nichtssagende aber aufwändig gestaltete Hochglanzberichte, über die sich dann – zu Recht – die Gesellschafter, Geschäftsführer oder Vorstände ärgern. Tatsächlich, und das ist auch unsere Beratungserfahrung, haben die wenigstens Unternehmen eine klar definierte und überzeugende Linie, was sie gesellschaftlich weshalb tun wollen, und was sie warum lassen. Kaum ein Unternehmen überlegt sich zum Beispiel, was es denn außer einem Geldbetrag leisten könnte: nämlich mit der Kompetenz, die das Unternehmen hat und für die seine Produkte gekauft werden. Damit verschenken sie Möglichkeiten, denn strategisch aufgestellte CSR schafft völlig neue und im Vergleich zu Werbung kostengünstige Kommunikationskanäle: zu Mitarbeitern, Kunden, in der Branche oder am Standort.

Genau hier liegt die Chance der kommenden CSR-Berichtspflicht: Formal betrifft sie zwar nur wenige Unternehmen, doch sie soll in den nächsten Jahren ausgeweitet werden. Außerdem ist anzunehmen, dass immer mehr Kunden, Mitarbeiter oder die Öffentlichkeit entsprechende Berichte auch von formal noch nicht betroffenen Unternehmen fordern werden. Diese sind daher gut beraten, den Impuls zu nutzen für eine grundsätzliche, durchdachte und überzeugende Positionierung ihres Engagements für die Umwelt, für Mitarbeiter, für die Gesellschaft. Wenn sie dies tun dann wird ein CSR-Bericht nicht nur gut, sondern ist für das Unternehmen viel mehr als eine lästige Pflicht: Er ist dann ein sehr effektives Kommunikations-Instrument.

Von Gerd Henghuber

Der Autor war lange Jahre Leiter Unternehmenskommunikation und berät mit seiner Agentur Unternehmen in ihrem gesellschaftlichen Engagement. Mehr Informationen: www.csr-berichts-pflicht.de