Schweizer Nachbarschaftsmodell hilft Unternehmen

Die Schweizer Fondation KISS hat ein Muster-Modell für Nachbarschaftshilfe entwickelt. Sein Motor ist eine ausgefeilte Software für Zeitgutschriften. Damit eignet es sich auch für Unternehmen, die mehr für ihre Mitarbeiter tun wollen.

Menschen, die helfen wollen, unterstützen jene, die Hilfe benötigen und umgekehrt. Was vielleicht auf dem Land, wo man einander kennt, noch einfach so funktioniert, muss in urbaneren Räumen initiiert, motiviert und organisiert werden. Die Schweizer Fondation KISS entwickelt auf der Basis von fast zehn Jahren Aufbauarbeit das Modell KISS (keep it small and simple) laufend weiter in 15 bereits bestehenden Kommunen und Kantonen und über 20 Aufbaugruppen. Mehr als ca. 2000 Menschen machen bereits mit. Und auch aus Österreich und Deutschland gehen inzwischen wöchentlich neue Anfragen ein: Können wir das auch machen?

Unterstützung in allen Lebenslagen

In diesem Modell unterstützen freiwillig tätige Mitglieder in lokalen Gemeinschaften (in der Schweiz Genossenschaften) ihre Nachbarn im Alltag in vielerlei Hinsicht und in allen Lebenslagen und -altern: sie begleiten zum Arzt oder in die Kirche, sie passen auf Kinder auf oder die Katze, die leeren den Briefkasten oder kaufen ein. Sie helfen am Computer, pflegen den Garten und das Grab, oder sie sind einfach nur da: für Gespräche, für Spaziergänge, gegen das Alleinsein. Fachkundige Koordinatoren sorgen dafür, dass passende Tandems aus Empfangenden und Gebenden zusammenfinden. Mindestens ebenso wichtig sind Angebote und niederschwellige Anlässe zur Begegnung, zum Kennenlernen und zum geselligen Beisammensein.

Freiwilligenarbeit spart Milliarden

Kern und Motor des KISS-Systems sind Zeitgutschriften für die geleistete Freiwilligenarbeit. Dafür hat KISS eine ausgefeilte Software entwickelt, die web-basiert verfügbar ist. Die Initiantin Susanna Fassbind erklärt den Nutzen der Zeitgutschriften, die nach dem KISS-Modell nicht garantiert oder in irgendeiner Form besichert sind und auch nicht ausbezahlt werden können: „Der wahre Wert liegt in der Steigerung der Lebensqualität“, sagt Fassbind. „Mit der Software können wir den Wert der geleisteten Freiwilligenarbeit aufzeigen und visualisieren. Für den einzelnen ist das eine enorme Motivation. Und der Gesellschaft zeigen wir, wie wichtig dieser Beitrag ist.“ Tatsächlich war Fassbinds Motivation vor zehn Jahren, als sie begann, sich mit dem Thema Nachbarschaftshilfe zu befassen, auch eine ökonomische für sozial und finanziell schwache Rentner/innen: „Die Gesellschaft kann es sich aus vielen Gründen nicht leisten, alle alten Menschen in Heimen unterzubringen, zumal das auch niemand möchte. Freiwilligenarbeit hilft das zu vermeiden oder hinauszuzögern und spart Privaten und dem Staat Milliarden.“

Chance für HR von Unternehmen

Unterstützt wurde Fassbind bei der Entwicklung des KISS-Modells von Martin Villiger, der viele Jahre als Ökonom für Banken und Versicherungen tätig war. Von ihm stammt das Konzept der Zeitkonten-Software und eine attraktive Auswertung der Daten. Und er hat bereits weitere mögliche Anwender des Systems im Blick: Unternehmen. Wenn Mitarbeiter sich zuhause um kranke Kinder oder pflegebedürftig Angehörige kümmern müssen, bedeutet das oft erhöhte Ausfälle. „Arbeitgeber können diese reduzieren, wenn sie unser System als innerbetriebliches Unterstützer-Netzwerk an Standorten anbieten. Mitarbeiter helfen Mitarbeitern“, sagt Villiger. „Damit setzen die Unternehmen auch ein starkes Zeichen dafür, dass sie ihre Mitarbeiter in allen Lebenslagen unterstützen.

Für den CSR-Berater Gerd Henghuber handelt es sich deshalb um ein idealtypische Bespiel für gesellschaftliches Engagement von Unternehmen: „Wenn Firmen in ihrem Umfeld Gutes tun und gleichzeitig einen funktionalen Nutzen für sich haben, dann ist das glaubwürdig, effektiv und nachhaltig.“

Mehr Informationen: www.fondation-kiss.ch