Schenken als anthropologische Grundkonstante

Wertegeleitetes Unternehmertum hat seit jeher zu Stiftungen geführt. Rupert Graf Strachwitz, Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft, hat rund 280 Stiftungen auf die Welt geholfen. Im Interview erklärt er, wieso Unternehmer stiften und welche Fehler sie dabei machen können.

Man hat heute den Eindruck, dass jeder Prominente seine Stiftung hat – wieso ist das Stiften so in Mode?

Eigentlich ist diese Mode schon wieder ein bisschen abgeflaut, das war in den Neunziger- und Nuller-Jahren schon mal mehr, da hatte man manchmal das Gefühl, das manche Leute stiften wollten, weil alle anderen im Golfclub auch schon Stiftungen hatten.

Menschen stiften Vermögen, um vor anderen gut da zu stehen?

Schenken ist oft, aber nicht zwangsläufig altruistisch. Es ist in jedem Fall eine anthropologische Grundkonstante. Wir kennen Schenken sogar aus dem Tierreich, von Affen oder Vögeln. Beim Stiften paart sich dieser Zug des Menschen mit den Themen „Lebenssinn“ und „Erinnern“. Gerade für wirtschaftlich erfolgreiche Menschen, die es gewohnt sind, ihr Leben eigenbestimmt zu gestalten, wird daraus ein sehr attraktiver Impuls. Insofern wundert es nicht, dass es Stiftungen schon in den frühen Hochkulturen gab und durch die ganze Geschichte hindurch in allen Kulturen zu beobachten ist.

Aber es wechseln doch die Inhalte, sehen Sie da Trends?

Wir hatten eine Zeit lang viele Stiftungen zum Thema Umwelt und Kultur, beides ist zur Zeit nicht so gefragt, dafür eher soziale Themen. Es gibt auch überstrapazierte Themen: Kinder zum Beispiel, vor allem kranke Kinder. Da frage ich mich manchmal, ob die, zumindest in Deutschland, so sehr in Not sind, dass sie so häufig als Stiftungszweck genannt werden. Aber es steht jedem Stifter natürlich frei zu entscheiden, wofür er stiftet. Was mir eher Sorgen macht, ist ein Nicht-Trend: niemand stiftet für die organisatorische Entwicklung und Stärkung der Zivilgesellschaft: etwa für notwendige, laufende Aufwendungen, die Fortbildung von ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern oder gar für die wichtige Begleitforschung. So hangeln sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen von Projekt zu Projekt, Mitarbeiter haben immer nur Zeitverträge, und wichtiges Know-How geht immer wieder verloren. Ein anderes Problem ist, daß die meisten Organisationen ihren Geldgebern suggerieren, jeder gespendete Euro würde 1:1 dem Zweck zugute kommen. Das stimmt so natürlich nicht. Ich würde keiner Organisation etwas spenden, die das von sich behauptet.

Wie kommt denn ein potenzieller Stifter zu seinem Stiftungszweck?

Das ist sehr unterschiedlich: Meistens bringen Stifter und Stifterinnen schon ein Ziel mit. Manchmal unterstützen sie ein Werk schon lange, und wollen das für die Zeit nach ihrem Tod verstetigen, ohne die Erben zu belasten. Andere kommen mit ihrem persönlichen oder beruflichen Thema, für das sie sich engagieren wollen. Daraus „einen Schuh zu machen“, ist die Aufgabe des erfahrenen Beraters. Es gibt Spezialisten, die mit Vermögenden Menschen sogar durch die Welt reisen, um

Um auf die richtigen Ideen zu kommen?

Ja, das machen die auch sehr professionell. Allerdings habe ich es in meiner Praxis selten erlebt, dass jemand sagt, er möchte stiften, wisse aber nicht, wofür.

Gibt es Alternativen zu Stiftungen?

Jede Menge! Gerade angesichts der niedrigen Zinsen überlegen sich Vermögende zunehmend auch wieder andere Möglichkeiten: den Verein, die Genossenschaft oder Formen von sozialem Unternehmertum. Im Kommen sind auch philanthropisch angelegte Family Offices, die zum Beispiel für eine große Unternehmerfamilie und das Unternehmen das Spenden und Stiften professionell koordinieren und managen.

Welche Fehler machen Stifter?

Ein Fehler ist sicher, dass sie den juristischen Fragen größere Aufmerksamkeit widmen als den Inhalten. Stifter müssen sich vor der Gründung intensiv mit ihrem Stiftungszweck befassen und genau durchdenken, wie dieser langfristig erfüllt werden kann. Auch die künftige Governance-Struktur will gut durchdacht sein. Es gilt, den großen Gestaltungsspielraum auch auszuschöpfen. Ein weiterer Fehler ist, dass Stifter zu kurz denken und nicht wenige Stiftungen nach dem Tod des Stifters und damit dem Ende seines persönlichen Engagements in große Schwierigkeiten geraten. Dieses Problem taucht gerade in letzter Zeit angesichts der niedrigen Zinsen häufig auf. Manche Stiftung merkt jetzt, dass sie ein zu geringes Vermögen hat, um ihren Zweck zu erfüllen. Ich plädiere dafür, dass solche Stiftungen sich zusammenfügen. Dagegen sträuben sich manche Aufsichtsbehörden; es kann aber nicht sein, dass große Vermögenswerte brachliegen, ohne dass sie ihrem Zweck dienen.

Sehen Sie die Gefahr, dass sich durch privates gesellschaftliches Engagement der Staat aus seiner Pflicht genommen sieht?

Nein, man braucht sich nur die Summen anzusehen, die hier im Raum stehen: Bund Länder und Gemeinden haben jedes Jahr aus Steuern, Gebühren usw. 1,3 Billionen Euro zum Ausgeben;  damit können private Spender und Stifter niemals mithalten. Es gibt zwar Überschneidungen, aber letztlich geht es beim bürgerschaftlichen Engagement um die vielen Themen, um die sich der Staat nicht kümmert und auch nicht kümmern sollte, sondern die der Zivilgesellschaft vorbehalten sind.

Interview: Gerd Henghuber

 

Weitere Informationen:

www.strachwitz.info
www.maecenata.eu

 

Veröffentlichungen von Rupert Graf Strachwitz zum Thema:

Stiftungen nutzen, führen und errichten: ein Handbuch. Frankfurt: Campus 1994

Die Stiftung – ein Paradox? Stuttgart: Lucius & Lucius 2010

Achtung vor dem Bürger. Freiburg: Herder 2014

Transparente Zivilgesellschaft? Schwalbach: Wochenschau 2015

Kai Jonas und Rupert Graf Strachwitz (Hrsg.), Lebenssinn und Erbe. Stuttgart: Lucius & Lucius 2015; u.a. mit Beiträgen von Anselm Bilgri und Rupert Graf Strachwitz