„Das ist für uns so wichtig, dass ein Vorstand mitfährt.“

Interview mit dem CFO und Arbeitsdirektor der Paul Hartmann AG Stephan Schulz über das gesellschaftliche Engagement des Medizinausrüsters in Bolivien, Corporate Volunteering und seine Erfahrungen in einer Andenklinik

Der Medizin- und Pflegeprodukthersteller HARTMANN unterstützt seit 2015 ein Projekt der Hilfsorganisation Care in Bolivien. Im Departement Potosí, dem ärmsten des Landes, leben fast ausschließlich die lange vernachlässigten indigenen Bevölkerungsgruppen der Quechua und Aymara. HARTMANN fördert den Bau von Gesundheitszentren, die Ausbildung von medizinischem Personal sowie die Aufklärung über Hygienemaßnahmen und Krankheiten. Mitarbeiter können sich für die Mission bewerben, um als sogenannte „Corporate Volunteers“ das Projekt zehn Tage lang vor Ort zu unterstützen. Mit dabei war 2016 der Finanzvorstand und Arbeitsdirektor von HARTMANN Stephan Schulz.

Wieso haben Sie an der Reise nach Bolivien teilgenommen, was haben Sie sich davon versprochen?

Das primäre Motiv, an unserer Mission in Bolivien teilzunehmen war ein ganz persönliches: ich bin in Deutschland aufgewachsen, alles in allem in großem Glück und mit allen Chancen, die ein Leben hier bietet. Mir ist es wichtig, auch bewusst wahrzunehmen, dass viele Menschen auf unserer Welt in ganz anderen Verhältnissen leben, letztendlich mit kaum oder gar keinen Chancen auf eine Verbesserung ihrer Situation. In unserem Wohlstand sollten wir uns das immer wieder bewusstmachen, denn das verändert die Sichtweise auf eine Reihe von Themen.

Dazu kommt natürlich meine Funktion im Unternehmen: HARTMANN investiert Geld in dieses Projekt mit Care, und so sehe ich es auch als meine Aufgabe an, nachzuvollziehen, wofür genau das Geld ausgegeben wird, und inwieweit diese Mittel auch bei denen ankommen, für die sie gedacht sind. Das dritte Argument war die Innenwirkung: ich wollte unseren Mitarbeitern zeigen, dass wir als Unternehmen dieses gesellschaftliche Engagement richtig finden und wichtig nehmen. So wichtig, dass ein Vorstand mitfährt.

Was waren Ihre einprägsamsten Erfahrungen?

Die Lebensfreude der Menschen wahrscheinlich, trotz der sehr einfachen Verhältnisse in denen sie leben. Dort fehlt es den Menschen an Infrastruktur, die wir als selbstverständlich erachten: Strom, fließendes Wasser, medizinische Versorgung. Trotz dieser wirklich schwierigen Verhältnisse habe ich die Menschen durchweg als sehr fröhlich und zufrieden wahrgenommen. Dabei hätten wir in Deutschland in unserem Wohlstand allen Grund genau diese Zufriedenheit auszustrahlen.

Was das Projekt anbelangt, habe ich gelernt, dass man in Bolivien das Thema „Health Care“ ganz anders definieren muss, als wir es hier tun: es geht dort nicht um die rein medizinische Versorgung, sondern auch darum, dass die Menschen genug zu essen haben, es geht um Landwirtschaft und um Wasser. Es geht auch um Bildung, vor allem der Frauen, denn die sind meistens entscheidend für Veränderungsprozesse. Ich habe verstanden, dass der weit gespannte Rahmen des Projekts mit Care genau richtig ist: es kann dabei nicht nur um Medizin gehen, denn die Stationen, die wir fördern, leisten die Grundversorgung für die Menschen weit darüber hinaus.

Prägen Ihre Erfahrungen auch Ihren Alltag als Vorstand?

In meiner Funktion als Finanzvorstand nicht unmittelbar. Als Arbeitsdirektor allerdings sind mir der Einsatz und die Weiterentwicklung unserer Mitarbeiter besonders wichtig. Ich sehe mich in dem Projekt bestärkt, da unsere Mitarbeiter ihre Kompetenz vor Ort nachhaltig weitergeben und zugleich ihren eigenen Horizont durch den Erfahrungsaustausch mit lokalen Gesundheitsexperten erweitern. Grundsätzlich ist es aber in jeder Funktion hilfreich, sich immer wieder zu vergegenwärtigen, dass das, was wir als selbstverständlichen Standard ansehen, alles andere als selbstverständlich ist.

Wieso engagiert sich Ihr Unternehmen überhaupt in Bolivien?

Wir haben uns vor zwei Jahren recht umfangreiche Gedanken über unser gesellschaftliches Engagement und unsere Verantwortung als Unternehmen gemacht. Man kann ja im Prinzip alles Mögliche machen, aber dann gerät man auch in Gefahr der Beliebigkeit. Unser Antrieb ist ganz klar Gesundheit, und unser Anspruch lautet „going further for health“. Wir haben daher ein CSR-Projekt gesucht, das explizit zu uns passt, und diese Suche haben wir sehr ernst genommen. Ich bin sehr froh, dass Bolivien so gut läuft. Wir haben daher gerade ein neues Projekt mit Care in Kenia begonnen.

Auf welche Resonanz stößt dieses Engagement bei Ihren Mitarbeitern?

Die Resonanz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf unser Engagement ist durchweg sehr positiv. Wir sehen das beispielsweise an den Reaktionen in unserem Intranet. Zu einem Vortrag sind an die hundert Mitarbeiter gekommen. Für die nächste Reise haben sich 120 Mitarbeiter beworben, doppelt so viele wie für die letzte. Das sind wirklich erstaunliche Zahlen, und ich freue mich sehr, dass das Engagement damit ein Projekt des ganzen Unternehmen ist und nicht nur der Unternehmensführung. Die Kolleginnen und Kollegen, die in Bolivien dabei waren, berichten, dass diese Reise, diese Erfahrung sehr prägend für sie gewesen sei. Dass sie ihren Horizont dadurch stark erweitert hätten. Manche sprachen sogar von einem „life-changing moment“.

Was bewirkt dieses Engagement bei Hartmann?

Die Botschaft ist letztendlich dieselbe wie unsere Markenbotschaft: Going further for health. Das gilt für unsere Produkte genauso wie für das gesellschaftliche Engagement. Genau deshalb ist dieses Projekt für uns so stimmig und nicht nur irgendein soziales Feigenblatt.

Interview: Gerd Henghuber

 

Mehr Informationen:

Film über das Projekt in Bolivien

Artikel von Stephan Schulz über seine Erfahrungen

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